Cristalica muss
Herzstück herausgeben
Juristische Schlappe um Glasmaschine / Hüttenmeister gekündigt: Nie mehr
Glasproduktion
VON
Christian Taubert
Für Cristalica in Döbern ist
das Zeitalter der Glasproduktion offenbar schon lange vorbei. Ein Urteil
zu einer in Döbern stehenden Produktionslinie zur Glasherstellung sowie
ein Arbeitsgerichtsprozess erhärten die Position der Brandenburger
Landesinvestitionsbank (ILB), die Fördermittel zurückverlangen will.
Wie soll in Döbern (Spree-Neiße) in nächster Zeit Glas produziert
werden? Für den Geschäftsführer der Cristalica GmbH Lutz Stache ist die
Antwort klar: "In Döbern wird immer Glas hergestellt, solange ich
Geschäftsführer bin", teilt er auf RUNDSCHAU-Anfrage mit. Die Cristalica
werde weiter in die Glasproduktion investieren, heißt es in der
Antwort-Mail.
Unberücksichtigt lässt der Cristalica-Chef aber, wie die Zukunft des
Traditionsstandortes ohne das gerade verloren gegangene Herzstück zur
Glasherstellung aussehen soll. Denn die letzte Produktionslinie zur
Verarbeitung von geschmolzenem Glas muss Cristalica jetzt herausgeben.
Vor dem Landgericht Berlin haben die Döberner eine juristische Schlappe
erlitten, die nach Antworten im Interesse der Beschäftigten, der
Kommunal- und Landespolitik verlangt. Und im Interesse von Lutz Stache
selbst.
Denn gegen den Geschäftsführer wird durch die Cottbuser
Staatsanwaltschaft weiter wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug
ermittelt. Das Unternehmen hatte über die Brandenburger
Landesinvestitionsbank 4,5 Millionen Euro Fördermittel erhalten –
gebunden an die Fortsetzung der Glasproduktion in Döbern. Zweifel daran
haben die ILB veranlasst, einen Widerrufsbescheid zu übergeben. Und die
Forderung der ILB hat neue Nahrung bekommen.
Die letzte Maschine, die in Döbern Glas in einer Menge herstellen kann,
die für Abnehmer interessant wäre, muss Cristalica jetzt herausgeben.
Damit folgte das Landgericht Berlin in seinem Urteil dem holländischen
Besitzer der Maschine und ehemaligen Kooperationspartner von Lutz Stache.
Bei Cristalica war diese vollautomatische Produktionslinie zur
Herstellung von Glasmurmeln mit eingesetzten Keramikfiguren, die mehr
als eine Million Stück je Monat herstellen kann, nur im 1. Halbjahr 2014
gelaufen. Dann begann der Streit zwischen Stache und den Holländern über
die Leistungsfähigkeit der Maschine. Die Holländer verlangten nach den
Gerichtsunterlagen ihre Anlage zurück. Cristalica sah sich arglistig
getäuscht. Um die seither still stehende Maschine begann die juristische
Auseinandersetzung.
Mit dem Urteil zur Herausgabe der Glasmaschine Ende März hat Cristalica
offenbar seinen letzten Trumpf verspielt, als Glasproduzent aufzutreten.
Denn mit jener Maschine lassen sich auch ganz normale Kugeln und
Halbkugeln herstellen. Nach Angaben von Branchenkennern ein
interessantes Produkt. Abnehmer können Glas in dieser Form bei einer
späteren Einschmelze einfacher und effektiver verarbeiten.
Doch davon, so berichtet der RUNDSCHAU ein ehemaliger Hüttenmeister,
"hat Herr Stache nichts wissen wollen". Für den ausgewiesenen
Glasexperten habe Cristalica extrem gute Voraussetzungen nicht genutzt.
Die Investitionen des Cristalica-Chefs hätten zunächst zu einem
1a-Standard geführt. "Hier ist von der Versuchsschmelze für Kunden über
eine Klein- bis Großproduktion alles möglich gewesen", sagt der
Ex-Hüttenmeister. "Wir haben mögliche Kunden von unseren Produkten
überzeugt." Dass es nie zu Verträgen für den Standort Döbern gekommen
sei, "kann ich mir nur damit erklären, dass dies nicht gewünscht war".
Dieser Verdacht erhielt zusätzlich Nahrung, als der heute 58-Jährige zu
Heiligabend 2014 seine Kündigung zugesandt bekam. Der Experte für die
Mischung des Gemenges und die Schmelze wurde nicht mehr gebraucht.
Akzeptieren wollte er das nicht und klagte vor dem Cottbuser
Arbeitsgericht.
Mehr als einen Vergleich konnte er als Leiter des Bereiches
Hütte/Mischturm nicht erreichen. Denn er musste in dem Prozess von der
Cristalica-Seite erfahren, "dass der Arbeitsplatz des Klägers endgültig
entfallen ist". Die Arbeiten im Bereich Hütte/Mischturm seien Ende
Dezember 2014 endgültig eingestellt worden. Aus Sicht des
Cristalica-Chefs habe er in dem Prozess erklärt, dass ein Hüttenmeister
nicht mehr gebraucht werde, "weil wir zurzeit an der 3,5-Tonnen-Wanne
nicht produzieren". Doch in den Prozessunterlagen wird wörtlich
ausgeführt: "Eine Glasproduktion wird jedoch nicht mehr erfolgen."
Während die seit Ende 2014 abgefahrene Schmelzwanne, die als Schwerpunkt
für die Ausreichung der Fördermittel diente, eine Tagesleistung von etwa
3000 Kilo Schmelzglas liefern kann, wird in dem Arbeitsgerichtsprozess
auf einen kleinen Ofen mit einer Tageskapazität von 40 Kilogramm
Schmelzglas verwiesen. Mit ihm werden zurzeit manuell rund 150
Glaskugeln pro Tag hergestellt. Zukünftig soll er für Besucher und
Touristen zu Vorführungszwecken eingesetzt werden. An diesem Ofen solle
demonstriert werden, wie der Arbeitsablauf bei der Glasherstellung in
diesem Bereich früher erfolgte.
Für den Ex-Hüttenmeister, der mehr als zwei Jahrzehnte in der Döberner
Glasindustrie heimisch war, hat der Standort inzwischen einen Großteil
seines Wissens- und Technologievorsprungs eingebüßt. Der Kenner des
Traditionsstandortes und der Glasbranche ist dennoch davon überzeugt,
dass die Glasproduktion in Döbern durchaus profitabel betrieben werden
könnte. "Man muss es nur wollen", sagt er.
Zum Thema:
Der international erfolgreiche Unternehmer Lutz Stache hat in den
Glasstandort Döbern nach eigenen Angaben mehr als 40 Millionen Euro
investiert, ohne dafür Kredite in Anspruch genommen zu haben. Der
Großteil der Mittel ist dabei in den Aufbau der V.I.P. Pictures World
GmbH geflossen. Das im Internet präsente "Kaufhaus der Gesichter" ist
seine Idee. Dafür hat er in Döbern Hightech installiert. Hier können
Prominente und Marken weltweit Designs auf selbst gewählte Produkte wie
Handy-Hüllen oder Schlüsselanhänger auftragen lassen. Beim Veredler in
Döbern mit nach eigenen Angaben insgesamt 65 Mitarbeitern werden sie
hergestellt.
Quelle: Lausitzer Rundschau, Ausgabe Weißwasser, vom 09.04.2016
|
 |
Die
Glaspyramide ist das weithin sichtbare Aushängeschild von Cristalica
in Döbern. Die Glasherstellung aber stockt. |
|