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Lost Places in Brandenburg:
Wie es um die Glaswerk-Ruine Haidemühl steht und was die Leag vorhat

 VON Annett Igel-Allzeit


Der Tagebau Welzow-Süd ist auf wenige Meter an die alte Ortslage Haidemühl herangerückt. Immer mehr Holz wird aus dem umliegenden Wald geholt. Je lichter er wird, desto mehr fürchten die Einwohner des Nachbarorts Proschim, dem die Abbaggerung nicht mehr droht, dem Lärm und Staub des Braunkohlentagebaus ausgeliefert zu sein.

Wer von Spremberg in den Welzower Ortsteil Proschim fährt, muss durch das ehemalige Dorf Haidemühl. Viele Gebäude stehen nicht mehr, aber von der Hauptstraße aus wirkt die Ansiedlung mit den Schornsteinen und zerschlagenen Fensterscheiben wie ein Geisterort. Sind die Tage der Ruinen des Glaswerkes gezählt?

Werksgelände – ein Lost Place in Brandenburg

Die Abenteurer, die das Werksgelände als einen der Lost Places, der vergessenen Orte im Land Brandenburg, entdecken, aber auch Einheimische wundert, wie gut sich die beiden Schornsteine über die Jahrzehnte halten. Sie waren die Wahrzeichen von Haidemühl. Bereits im Jahr 1992, lange bevor viele Einwohner um 2006 nach Spremberg ins neue Haidemühl umsiedelten, war das Glaswerk stillgelegt worden. Es hatte mit dem Drebkauer und Großräschener Glaswerk zum Volkseigen Betrieb (VEB) Behälterglas gehört.

Die Schulmilchflaschen liefen im Glaswerk Haidemühl vom Band. Ideen, das Werk und wenigstens einen Teil der Arbeitsplätze auch nach der politischen Wende zu erhalten, hatte es gegeben. Glasgranulat zur Reinigung von Metallen in Haidemühl herzustellen, war ein Vorschlag, das Werk als Glasrecycling-Anlage fortbestehen zu lassen, eine weitere Idee. Aus beiden Vorhaben wurde nichts. Da das Werk mit der Automatisierung in den 80er-Jahren eines der modernsten in der DDR gewesen war, wunderte es nicht, dass der neue Investor die Maschinen abbauen und verschwinden ließ.

Gelände bei Spremberg nie geordnet abgewickelt

Auswirkungen bis heute hat, dass das Werksgelände nie geordnet abgewickelt und aufgeräumt worden war. Reißen Metalldiebe Rohre raus, kann es passieren, dass noch Öl aus ihnen tropft und einfach in den Boden sickert. Die Sondercontainer, die dort seit Jahren mit einem Altölgemisch herumstehen, sind angesichts der Lachen undicht. Von einem unterirdischen Tank berichten Zeitzeugen. Selbst jetzt im Winter irritiert ein beißender Geruch.

Der Schnee in den vergangenen Tagen hat nicht viel zudecken können. Ein riesiges Industriehallenfenster ist herausgerissen. In einer Halle liegen zig Pkw-Stoßstangen. Einem Gewirr von Kabelisolierung ist sämtliches Kupfer entzogen. Über einer großen Ansammlung von Säcken mit der Aufschrift Kaliumcarbonat ist das komplette Hallendach eingestürzt. Ob tatsächlich Pottasche in diesen Säcken lagert und wie krebserregend das sein könnte und möglichst nicht in den Boden sickern darf, wurde noch 2021 diskutiert.

Graffiti: Neuschwanstein in Haidemühl


Sämtliche Schilder, die ein Betreten der Fläche verbieten, fehlen. Spuren, dass hier nach dem Auszug der Haidemühler immer wieder Menschen gewerkelt und kampiert haben, gibt es viele. Graffiti-Künstler hinterließen Comics, Porträts und eine Landschaft mit Neuschwanstein. Ja, sogar ein junger Dichter verewigte sich an einer Innenwand mit Versen in Erinnerung an die Liebste.

Die Stadt Welzow hat mit dem Gelände seit Jahren ein großes Problem: Wurde einmal Hausmüll zwischen den Ruinen entsorgt, wächst die illegale Deponie schnell. Regelmäßig mussten daher Sofas und Bauschutt immer wieder entsorgt werden.

Heile Milchflaschen, die Kindheitserinnerungen wecken, lassen sich wohl nicht mehr finden, aber verschiedene Glasscherben, Matratzen, Farbeimer, ein ausgeweideter Wärmetauscher, Materialscheine, wie sie in ganzen Vordruck-Blöcken in Freiberg hergestellt worden waren, neuzeitliche Obstkisten. Schwer zu sagen ist, wie gefährlich die alten Rohstoffe und das Altöl sind. Keiner weiß, wie tief die Altlasten bereits in den Boden eingedrungen sind und Erdmassen sachgerecht entsorgt werden müssen.

Bergbaubetreiber Leag einigt sich mit Vollstreckungsverwalter

Die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) will sich in diesem Jahr einen Überblick über die Bausubstanz und das Gelände verschaffen. Das kündigt Thoralf Schirmer, Pressesprecher des Bergbauunternehmens, an. „Die Lausitzer Energie Bergbau AG hat sich Ende des Jahres 2022 mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter der Haideglas GmbH i. A. über den Erwerb der Haideglas-Grundstücke einigen können. Wir dürfen jetzt auf den Grundstücken tätig werden“, sagt Schirmer. Ein Rückbaukonzept wird vorbereitet und in diesem Zusammenhang auch ein Sanierungskonzept erstellt. Mit dem Rückbau von Gebäuden könne aber frühestens im Jahr 2024 begonnen werden. Die Überbaggerung der Liegenschaften sei ab 2028 geplant. Bis 2027 könne die Straße benutzt werden. Erst danach, so der Leag-Sprecher, werde der Straßenverkehr über die K 7120, die Blunoer Straße in Proschim, geleitet.

Aus der Glaswerk-Geschichte

Im Jahr 1835 soll die Glashütte Gosda vom Glasfabrikanten Johann Christoph Greiner an die Heidemühle verlegt worden sein. Aus der Heidemühle wurde der Ort Haidemühl. Und der wuchs schnell und brauchte 1856 eine Schule. Vorm Schulbeginn arbeiteten viele Kinder morgens in der Fabrik, so informiert die Pressglas-Korrespondenz 2007. Die Hohlgläser, Lampenschirme, Zylinder und Parfümflaschen sollen in Hamburg, Dresden und Leipzig gefragt gewesen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Werk in Volkseigentum. Es wurde Ende der 1960-er Jahre modernisiert. Ab 1971 produzierte die Haidemühler Hütte die legendären Schulmilchflaschen der DDR. In ihnen wurde die Milch morgens an die Schulen geliefert. Die „Milchholer“ jeder Schulklasse holten den Kasten vom Hausmeister. Getrunken wurde sie – mit Erdbeer- oder Vanillegeschmack oder als Kakao – in der Milchpause.

Quelle: Lausitzer Rundschau vom 25.01.2023


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Aktualisierung:
30.01.2023


 
 
 
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