Im Glasmuseum fehlt
das Leben
Trotz Corona fällt die Bilanz in Weißwasser weniger drastisch als
befürchtet aus. Aber wie es weitergeht, ist ungewiss.
Von Constanze Knappe
IGespenstisch ruhig geht
es zu im Glasmuseum Weißwasser. Eigentlich hätten sich in der
Weihnachtszeit und über den Jahreswechsel die Besucher die Klinke in die
Hand gegeben. Doch daran ist in Corona-Zeiten ganz und gar nicht zu
denken. Busunternehmen, die sonst Senioren aus ganz Deutschland auf
Adventsfahrt ins Glasmuseum brachten, mussten alle Termine streichen.
„Man steht vor dem Weihnachtsbaum, aber richtig weihnachtlich wird es
einem nicht“, sagt Museumsleiterin Christine Lehmann. Wie auch? Seit
Anfang November ist das Museum gemäß der Corona-Allgemeinverfügung
geschlossen.
Goldtröpfchen aus dem Tagebau
Das war auch im Frühjahr schon so. Mai, September und Dezember sind an
sich die besucherstärksten Monate im Glasmuseum Weißwasser. In diesem
Mai aber mussten sich die Menschen erst daran gewöhnen, dass das Museum
zwar wieder offen, aber nur nach telefonischer Voranmeldung zu besuchen
ist. Dafür folgte ein starker Sommer, weil Besucher aus dem
Fürst-Pückler-Park auch gerne rundum Kultur mitnehmen. Das bescherte dem
Glasmuseum mehr Gäste als sonst. Deshalb fällt die Bilanz zum Jahresende
gar nicht so drastisch schlecht aus wie befürchtet.
Bei 2.645 Besuchern kamen gerade 417 weniger als im Jahr zuvor. Und das,
obwohl das Glasmuseum 2020 vier Monate zu war. Allein 475 Besucher
wurden bei den Vorträgen gezählt, die als Begleitveranstaltungen zur
Sonderschau „Steinschläger, Pechkocher – Herzensbrecher“ stattfanden.
Diese gab einen Einblick in 25 Jahre archäologische Grabungen in den
Tagebauvorfeldern Reichwalde und Nochten, zeigte beispielsweise
Goldtröpfchen aus dem Tagebau Nochten. „Das Thema treibt die Menschen
hier um. Es hat sie emotional sehr berührt“, resümiert die
Museumsleiterin. Ein bisschen traurig ist Christine Lehmann über das
coronabedingte sang- und klanglose Ende der zweiten Sonderschau des
Jahres. Die „Beste Bude – Bärenhütte“, eine Personalausstellung zum 85.
Geburtstag des Musterschleifers Heinz Schade, sollte eigentlich bis März
2021 verlängert werden. Staatliche Museen, so viel ist inzwischen
bekannt, dürfen wegen Corona frühestens ab März wieder öffnen. Kommunen
bleibt das selbst überlassen. Die Stadt Weißwasser hat sich dazu noch
nicht geäußert. Und im harten Lockdown, der bis 10. Januar 2021
angesetzt ist, aber womöglich auch länger dauern kann, wird dazu
vermutlich keine Entscheidung fallen.
Zu Horst Gramß’ 85. Geburtstag
Wenn sich die Stadt an den Vorgaben für staatliche Museen orientiert,
würde sich auch über der ersten Sonderschau des neuen Jahres ein großes
Fragezeichen auftun. Eigentlich wollte das Glasmuseum Horst Gramß mit
einer Personalausstellung zum 85. Geburtstag ehren. „Ohne ihn gäbe es
die Sammlung hier nicht“, begründet Christine Lehmann. Horst Gramß ist
einer der letzten noch lebenden Glasgestalter, die den Glaswaren aus
Weißwasser zu Weltruhm verhalfen. Viele Gläser im Fundus des Museums hat
er entworfen. Im Februar sollte die Sonderschau eröffnet werden. In
welcher Form sie nun überhaupt stattfinden kann, wird man sehen müssen.
Gläser zu einem besonderen Anlass
Die zweite große Sonderschau 2021 ist Alltagsgläsern gewidmet, die zu
einem besonderen Anlass entstanden sind. Biergläser oder Cognacschwenker
in Übergröße wurden mit Abziehbildern oder besonderen Prägungen versehen
und zu Jubiläen von Feuerwehren, Kampfgruppen oder Sportvereinen oder
als Weihnachtsgeschenke an Mitarbeiter ostsächsischer Betriebe
ausgegeben. Es gab sie zu Jubiläen der Glasfachschule, des
Posaunenchores, des Tierparks, zum Sommerfest im Eisstadion oder zum Tag
des Berg- und Energiearbeiters. „Es wurden ständig Gläser für
irgendetwas gemacht“, weiß Christine Lehmann.
„Im Museum haben wir solche Gläser in großer Anzahl. Sie wurden aber
noch nie ausgestellt“, erzählt sie. Zwar seien die Gläser nicht von
allzu großem künstlerischen Wert, aber sie dokumentieren die
Stadtgeschichte von Weißwasser. In anderen Städten gibt es solche
Erinnerungsstücke aus den unterschiedlichsten Materialien, in Weißwasser
nur aus einem – aus Glas. Für die Sonderschau gesucht werden Biertulpen.
Ein erster Aufruf, solche Gläser zu einem besonderen Anlass dem Museum
zur Verfügung zu stellen, fand nicht die erhoffte Resonanz. Wegen der
unklaren Corona-Situation wurde die Ausstellung sowieso weit in die
zweite Hälfte 2021 verschoben.
20.000 Objekte zu inventarisieren
Obwohl das Museum zu ist, gibt es für Christine Lehmann und ihr Team
viel zu tun. „Es sind die vielen Kleinigkeiten, die im Alltag sonst
immer liegenbleiben“, sagt sie. Normalerweise wird sie jedes Jahr von
zwei Studenten der Museologie aus Leipzig unterstützt. Daraus wurde im
Corona-Jahr nichts. Deshalb hat die Museums-Chefin nun selbst damit
begonnen, die Objekte der Bärenhütte zu inventarisieren. Im Fundus
warten schätzungsweise 20.000 Objekte darauf, ebenfalls erfasst zu
werden.
Zudem erhält das Glasmuseum Weißwasser das ganze Jahr über
Recherche-Anfragen, etwa weil jemand einen Flakon aus den 30er-Jahren
besitzt, der womöglich von Wagenfeld entworfen wurde. „Für uns ist jede
Anfrage spannend und meist mit neuen Erkenntnissen verbunden“, so
Christine Lehmann, die zu diesem konkreten Fall aber noch nichts
gefunden hat.
Dass sie bei der Ruhe im Museum zu mehr wissenschaftlicher Arbeit kommt,
gefällt ihr. Dennoch vermisst sie die Besucher, die Gespräche mit ihnen
wie auch den Austausch mit ihren Fachkollegen. Christine Lehmann schaut
mit gemischten Gefühlen ins neue Jahr. „Es wäre bitter, wenn sich die
Schließung tatsächlich bis zum Frühjahr hinzieht. Da hat man als Museum
schon Angst, inwieweit hinterher Kultur infrage gestellt wird“, erklärt
sie.
Quelle: Sächsische Zeitung, Ausgabe Weißwasser, vom
31. Dezember 2020
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Museumsleiterin
Christine Lehmann möchte solche Biertulpen in einer Sonderschau 2021
erstmals zeigen.
© Foto: J. Rehle |
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Die
Sonderschau über die Bärenhütte (1887 – 1997) und die in aller Welt
gefragten Bleikristallgläser des Musterschleifers Heinz Schade
sollte bis März 2021 verlängert werden. Ob daraus etwas wird, ist
angesichts des Lockdowns ungewiss.
© Foto: J. Rehle |
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